Montag, 9. August 2010

Für die neue Woche 75: Edgardo Donato, Felix Gutiérrez - El huracán

Gestern abend: Vor dem Gewitter am Fluss sitzen und reden. Die Farbe der Wolken reicht von einem bedrohlichen Dunkelgrau bis zu einem feuerfarbenen Orange. Das Licht zeichnet alles weich und die Kontraste sind deutlich reduziert. In der Ferne ein Wetterleuchten und eine angemessene Zeit später ein dumpfes Grollen aus der großen Baßbox. Ein Wind kommt auf und wird langsam aber stetig intensiver. Irgendwann sage ich: "Wir sollten gehen, sonst werden wir nass." ... wir wurden nass und zwar ordentlich. ;-)

Dazu nun einen passenden Tango zu finden sollte ja eigentlich nicht so schwer sein. Ich habe mich für el huracan entschieden. In der Instrumentalversion von Juan D'Arienzo werden der aufkommende Wind und die ersten (fast tänzelnden) Regentropfen wunderbar programmatisch wiedergegeben. (Das Thema Sommergewitter findet sich übrigens auch sehr schön im vierten Satz der Postorale von Ludwig van Beethoven und im Presto des dritten Konzertes der vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi.)

Juan D'Arienzo (eine Instrumentalversion) Aufnahme vom 07. Juli 1944:


Alfredo De Angelis (eine Instrumentalversion) Aufnahme vom 21. September 1948:


Edgardo Donato (Felix Gutiérrez) Aufnahme vom 09. Dezember 1932:


Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich einen guten Start in die neue Woche!

Eigentlich lautete die Abmachung: Veröffentlichung gegen Kommentar... ich bin gespannt... :-)))

1 Anmerkung(en):

Theresa hat gesagt…

Also hier der angekündigte Kommentar, natürlich nichts Musikwissenschaftliches, sondern eine subjektive, geschmacksgesteuerte Charakterisierung.

Bei "El huracán" kommen bestimmte Charakteristika der Orchester, an denen sich die Geschmacksunterschiede entzünden, besonders deutlich zum Vorschein. Das ganze ist ja so eine Art "Programm-Musik", das Thema Sturm soll musikalisch ausgedrückt werden. Das tun alle Orchester in der Einleitung mit Bandoneon-Läufen und wildem Ritt durch die chromatische Skala; Donato hat anscheinend noch eine Windmaschine oder sowas dabei. Danach aber scheiden sich die Geister.

Bei de Angelis wechseln sich völlig unverbunden dramatische Teile und harmlos dahinplätschernde Teile ab, mit den immergleichen dudeligen Figuren der hohen Violinen.

D'Arienzo nimmt das Stück ungewöhnlich langsam und fast feierlich oder auch schwerfällig und hat ein paar schöne den Sturm illustrierende Figuren drin. Für meinen persönlichen Geschmack ist es etwas grobschlächtig und nicht besonders gut tanzbar.

Die Donato-Interpretation dagegen finde ich genial. Hier wird die Bedrohlichkeit des Sturms in der musikalischen Darstellung im Lauf des Stücks gesteigert. Zunächst klingt es fröhlich, bis der Sänger einsetzt; der Text handelt, sehr tango-typisch, von der bösen Frau, die das zarte Pflänzchen Liebe wie ein Unwetter zerstört. Im Hintergrund des Gesangs spielen die Violinen schon etwas schauriger. Danach im letzten Teil werden alle Register gezogen, um die Bedrohlichkeit auszudrücken. Ein wunderbares Kunstwerk.

Sehr gelungen finde ich übrigens auch die Fassung vom Quinteto Angel, das sich im Prinzip am Arrangement von d'Arienzo orientiert, dieses aber verlängert, verfeinert und mit vielen raffinierten Details versieht. Abgesehen von der sehr ausgedehnten Intro ist es auch sehr gut tanzbar und nicht so schwerfällig wie bei d'Arienzo.

Theresa