Freitag, 1. Mai 2009

Die Geschichte von der unerfüllten Liebe

Heute gibt es hier ein persisches Märchen. Es stammt von dem Dichter Nizami (1141-1209) und ist in der Reihe Manessee Bibliothek der Weltliteratur unter dem Titel: Die sieben Geschichten der sieben Prinzessinnen erschienen. Mich hat die sprachliche Eigentümlichkeit (auch in der deutschen Übersetzung) berührt. In einer stark eingekürzten Version wird dieses Märchen hier nacherzählt. Das genannte Buch kann ich nur besonders herzlich empfehlen.

Einst war ein König besessen von einer einzigen Sucht - alles zu kennen und von allem zu hören, was Menschen in dieser Welt nur immer erleben. Eines Tages nahm er einen Fremden in orientalischer Gastfreundschaft auf, der von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet war. Seine Kleidung, sein Turban, seine Schuhe - kurz, alles an ihm war schwarz. Der König wollte natürlich herausfinden, was den Fremden zur Wahl seiner Tracht bewogen hatte und nachdem der Fremde gegessen und geruht hatte, fragte der König nach dem tieferen Grund. Erstaunlicherweise entgegnete der Fremde auf die Frage nevös: "Laß das! Kein Wort mehr davon! Ich kann das, was Du erfahren möchtest niemandem erklären." Dann beruhigte sich der Fremde und fuhr fort. "Du verlangst Unmögliches! Es gibt auf deine Frage keine Antwort, für niemand, es sei denn, er trage selbst auch dieses schwarze Kleid..." Doch der König bedrängte ihn weiter und schließlich erzählte der Fremde kurz vor seiner Abreise dem König von einer Stadt im fernen China. Die Stadt sei von fast paradiesischer Schönheit. Dennoch heißt sie auch 'die Stadt der Umnachteten' und ist eine Trauerstätte deren Bewohner immer in Schwarz einhergehen und jeder, der in diese Stadt kommt und lange genug dort bleibt, wird eines Tages ihnen gleich...

* * *

Dem König ließ diese Geschichte einfach keine Ruhe und so machte er sich einige Zeit später auf, um diese Stadt zu besuchen und das Geheimnis seiner Bewohner zu ergründen. Er fand schließlich die Stadt tatsächlich so, wie sie ihm beschrieben worden war. Die Stadt glich einem Himmelsgarten und die Bewohner wandelten in ihr wie lebende Bilder - freilich mit einem schwarzen Rahmen, denn alle trugen dieselben pechschwarzen Kleider. Aber so sehr sich der König auch bemühte, das Geheimnis dieser schwarzen Kleidung ließ sich nicht lüften. Und so blieb er eine lange Zeit in der Stadt bis er schließlich ungefähr ein Jahr später sich mit einem Metzgermeister befreundete. Diesen beschenkte er reichlich und endlich erklärte sich der Metzgermeister widerwillig bereit, den König in das Geheimnis einzuweihen.

* * *

Sie gingen nachts in eine verlassene Ruine vor der Stadt. Im Innenhof hing ein geflochtener Korb und der Metzgermeister sprach zum König: "Wenn Du unser Geheimnis der schwarzen Kleidung und unseres Schweigens darüber ergründen willst, so nimm einige Zeit in diesem Korb Platz und bleibe ihn ihm zwischen Himmel und Erde." Schließlich bewegte sich der Korb magisch himmelwärts und der König gelangte an eine Plattform. Er hatte das Gefängnis des Korbes gegen das der Plattform getauscht. Schließlich kam ein Riesenvogel und der König entschied sich, sich an dem Fuß dieses Riesenvogels festzuhalten. Es erschien ihm sinnvoller, als auf der Plattform weiterhin gefangen zu sein. Der Vogel flog mit dem König los und als er langsam müde wurde und einen Platz zum Rasten ansteuerte, fand sich der König in einem wundervollen Garten wieder. Saftige grüne Wiesen, in allen Farben blühende Blumen und luftige Zypressenhaine bis zum Horizont. Selbst der Sand im Bach sah aus wie Goldstaub. Der König war sehr zufrieden und legte sich hin um sich von den Anstrengungen der letzten Zeit auszuruhen. Eine sanfter kühler Wind weckte ihn bei Einbruch der Abenddämmerung. Dannn sah er plötzlich einen Zug von Menschen vorbeiziehen und bei genauem Hinsehen entdeckte er, daß es lauter bildschöne junge Frauen waren. Ein fast nicht enden wollender Zug von schönen jungen Faruen zog an dem König, der sich inzwischen hinter einem Strauch versteckt hatte, vorbei und schließlich wurde die sichtbar, der diese festlichen Vorbereitungen galten. Umgeben von ihrem Gefolge, den Schönsten der schönen jungen Frauen, erschien die Feenfürstin. Die Gesellschaft ließ sich nieder und feierte als die Feenfürstin plötzlich den Eindringling bemerkte und eine Dienerin schickte um den König zu holen. Der König ließ sich widerstandslos zur Feenfürstin bringen und sie bot ihm in ihrer Gastfreundschaft den Platz an ihrer Seite.

* * *

Der König war glücklich. Die Feenfürstin war von einer Schönheit, wie es wohl nur die Königin von Saba vor ihr gewesen sein konnte und sie bewirtete ihn reichlich mit den köstlichsten Speisen und wundervollem Wein. Die jungen Frauen des Gefolges musizierten und tanzten. Der König vergaß Zeit und Raum. Schließlich entflammte sein Herz für die Feenfürstin und er begehrte sie; doch sie hielt ihn hin und mahnte ihn zur Geduld. "Es wird die Zeit kommen und ich bin Dein" sprach sie und fuhr fort: "So magst Du Dich in der Zwischenzeit mit einer meiner Dienerinnen vergnügen, allein auf mich wirst Du warten müssen". Am nächsten Abend wiederholte sich das funkelnde und prächtige Fest und die Liebe des Königs wuchs. Gelöst vom Wein wurden die Gespräche zwischen dem König und der Feenfürstin immer intensiver und die Feenfürstin gestand dem König, daß ihr Vater sie Torktaz (Plünderung) nannte - dabei dachte er wohl an die Herzen von Verliebten. Der König entgegnete: "Seltsam, meine Freunde nennen mich auch Torktaz." Im Gespräch suchten sich ihre Seelen und gemeinsam sprachen sie bald über dies, bald über das. Gegen Ende des Abends entfachte sich erneut das Verlangen des Königs, aber die Feenfürstin hielt ihn erneut auf Abstand und ermahnte ihn, nicht zu stürmisch zu sein.

* * *

Und so wiederholte sich das Spiel die nächsten dreißig Tage Abend für Abend. Der König und die Herrscherin der Nacht ließen sich zum Mahl nieder, sie tranken Wein, lauschten der Musik und verfolgten den Tanz der Dienerinnen. Und jeden Abend begehrte Der König die schöne Torktaz und jeden Abend schickte die Feenfürstin ihren Verehrer mit einer hübschen Dienerin aus ihrem Gefolge fort. Sie gab sich ihm nicht hin. Am dreißigsten Abend forderte der König gelöst vom Wein, die Nacht mit der Feenfürstin. "Greif nicht nach dem verschlossenen Schatz! Wer sich rauben will, was nicht gegeben wird in Freiheit, kommt nie zum Ziel, und wie könntest Du auch das Siegel dieser Mine aufbrechen." sagte sie zu ihm, doch der König bedrängte sie immer wieder. Beim dritten Mal schien sie endlich ihren Widerstand schwermütig aufzugeben. Der König schien am Ziel seiner Träume angekommen zu sein. Sie sagte zu ihm: "Schließe doch bitte für einen Augenblick Deine Augen". Der König tat es und als er wieder die Augen öffnete saß er in dem Korb, der ihn auf die Erde zurückbrachte.

* * *

"Und wenn ich es Dir hundert Jahre lang immer wieder erzählt hätte, Du hättest es mir nicht geglaubt", empfing ihn sein Freund der Metzgermeister unten. "Verstehst Du jetzt unsere schwarze Kleidung und unser Schweigen darüber?". Der König trug fortan nur noch schwarze Kleider.
Was das nun mit dem Tango zu tun hat? Das muß jede Leserin, jeder Leser für sich entscheiden. Ich lehne mich jetzt zurück und freue mich auf (hoffentlich zahlreiche) Kommentare.

12 Anmerkung(en):

relativ neu hier hat gesagt…

Ich bin noch relativ neu hier und ich bin verwirrt. Was soll das alles? Ich muss wohl noch mehr lesen aber neugierig bin ich schon jetzt.

Eine Leserin (Wien)

sophia hat gesagt…

Schon strange! Da sitze ich mit meinen Tee beim Frühstück, den Kopf voller Gedanken an die Milonga von gestern abend. Dann macht sich Unruhe in mir breit. Ich gehe in mein Arbeitszimmer und starte den Rechner (das dauert - dank Windows Vista - ein kleine Ewigkeit), schnell in die Bookmarks geklickt und Erleichterung macht sich breit: ein neuer Beitrag! Ich lese und stutze. Warum jetzt das? Dann denke ich nach und langsam begreife ich. Wieder ein Aha-Erlebnis.

Cassiel, Du bist für mich der Tango-Philosoph! Seufz! Wären doch nur alle Tangueros so...

So langsam möchte ich unbedingt wissen, wer du bist.

Gruß und Kuss

Raxie hat gesagt…

Ob es wohl wirklich Menschen gibt, die nicht an sich selbst scheitern? Der Grad zwischen "Wirklich alles (!) haben wollen" und "sich der bereits vorhandenen Kostbarkeiten bewußt sein und damit zu bescheiden" ist ein schmaler... Immer schon gewesen und das wird sich nicht ändern.

Wie hättest Du Dich entschieden, Cassiel? Bitte nicht antworten, dass Du nichts einforderst, was nicht freiwillig gegeben wird. Das ist offensichtlich. Aber das menschliche Dilemma geht hier tiefer. Er ist ja überzeugt davon, dass sie eigentlich auch will und dass die seelische Verbindung bei beiden ganzheitliche Ausmaße hat. Er will ihr nichts nehmen - sondern ganz im Gegenteil etwas geben, indem er ihr "helfen" möchte, ihre Zurückhaltung aufzugeben... Er möchte nicht nur sich, sondern auch ihr etwas schenken.

Hast Du schon mal nach den Sternen gegriffen und bist das damit verbundene Risiko eingegangen? Bewußt? Oder "versehentlich", weil Du es noch nicht besser wußtest?

Lass Dir Zeit mit der Antwort - es eilt überhaupt nicht.

Lieben Gruß und richte dem gestressten Hausmeister aus, dass heute der 1. Mai ist - da wird nicht gearbeitet...

Anonym hat gesagt…

wunderschön

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank für dieses wunderschöne Märchen über menschliche Sehnsucht nach Schönheit, Begehren und Verschmelzung. Ein Traum, begrenzt, und immer wieder durch einen sanft getanzten Tango erfahrbar. Bis die Umarmung sich löst...
Jana

Realistin hat gesagt…

Da fällt mir eigentlich nur ein Satz ein:

Viele kleine Liebschaften sind die beste Immunisierung gegen die eine (schmerzhafte) große Liebe.

affig hat gesagt…

... und was soll das jetzt wieder?

cassiel hat gesagt…

Habe erst gerade die Kommentare gesehen und freigegeben. Vielen Dank!

Muß wohl häufiger zwischendurch nach neuen Kommentaren schauen.

;-)

Patrick hat gesagt…

Der König ist ein Idiot. Jeder Teenager weiss doch schon, dass man bei der Schönsten der Schönen keine Chance hat. Bei seinem Verschleiss an Dienerinnen hat er hoffentlich Kondome benutzt. Die Moral von der Geschicht: Wein hilft beim Liebesgeständnis auch nicht weiter. Aber ich weiss jetzt, warum an den Milongas soviele Typen in schwarz rumlaufen...

cassiel hat gesagt…

@Patrick

;-)))

Anonym hat gesagt…

Ich versteh das nicht. Verrätst Du jetzt mal, was das mit dem Tango zu tun hat?

Gruß

cassiel hat gesagt…

Hmmm... ich habe diese Fage vollkommen übersehen...

Also! Was das mit dem Tango m.E. zu tun hat?

Ich hatte hier folgendes Zitat gepostet: 

There are two secrets to being a great tango dancer. The first is having a hole in yourself that you cannot fill, and the second is the luck to fall upon tango as the thing you try to fill it with. 

So ungefähr ist die Verbindung...