Samstag, 14. Februar 2009

Tangueros zum Abgewöhnen I: Edgar, der Ehrgeizige

Fast jede Tangoszene hat ihren Edgar(*) und er ist äußerst lästig. Edgar tanzt seit so einem Jahr Tango und verbringt sehr viel Zeit damit, den Tango zu lernen und das nur mit seinem Verstand. Edgar ist Single - frisch verlassen von seiner letzten Freundin, hat er nun den Tango entdeckt und das gründlich. Es ist nicht bekannt, ob Edgar den Tango deshalb so fanatisch zu lernen versucht, um möglichst schnell wieder eine Freundin zu bekommen oder ob es einen anderen Grund gibt. Jedenfalls nervt er.

Wenn in einer Practica eine Schrittfolge vorgeführt wird, steht Edgar schon am Rande der Tanzfläche und übt die Schritte damit er den Damen nachher zeigen kann, wie es richtig getanzt wird. Selbstverständlich lehnt Edgar die alten knisternden Tangoaufnahmen ab: "Die sind qualitativ so schlecht, daß es in den Ohren wehtut". Edgar hat kaum ein Gespür für die Musik. Seine Fortschritte beim Erlernen neuer Figuren sind allerdings beeindruckend. Er hat viel Zeit und die verbringt er gerne damit, bei YouTube didaktische Kurzvideos anzuschauen (solchen Leuten sollte ein offizielles DSL-Verbot erteilt werden). Das gelernte setzt er dann auf der nächsten Milonga mit einer Frau um. Am Rande der Tanzfläche erklärt er wortreich und lautstark, wie der "getoastet Boleo mit Zick-Zack Gancho" richtig getanzt wird. Betrachtet man Edgar beim Tanzen, dann erinnert man sich unwillkürlich an das olympische Motto: "Schneller, höher, weiter". In einen rasanten Tempo jagt er in Riesenschritten über die Tanzfläche und das unabhängig von der Musik und den Fähigkeiten seiner aktuellen Tanzpartnerin.

Das alles wäre ja noch erträglich. Richtig unangenehm wird es dann, wenn eine Frau seine Erklärungen nicht versteht oder aber seiner Führung nicht sofort folgen kann. Dann wird es unappetitlich. Edgar verliert die Nerven und das gerne auch geräuschvoll. Er schimpft, ist unzufrieden und glaubt fest daran, wenn er den Druck auf die Dame nur hoch genug schraubt, wird sie schon reagieren. Auf die Idee, daß es an ihm liegen könnte, kommt er überhaupt nicht.

Selbstverständlich hat Edgar ein Tangozimmer in seiner Wohnung. Väterlich lädt er (vor allem) die hübschen und jungen Anfängerinnen zu sich ein und lässt sie an seinem Tangowissen antizipieren. Angesprochen auf dieses Tangozimmer erklärt er lächelnd: "Dann muß ich nicht immer alles auf den Milongas erklären... ".

Und Edgar vergleicht sich gerne mit anderen Tangotänzern. Er kommentiert jeden Tangotänzer der Szene mit akribischen Sprüchen. Und keiner kann es gut genug.

Wir alle wünschen Edgar natürlich nur das Beste und ein wenig mehr entspannte Gelassenheit. Aber ab und an dürfen auch wir einmal sagen: "Edgar, Du nervst ungemein!"

(*) Natürlich tritt Edgar auch unter anderem Namen auf. Erkennbar ist er allerdings sofort.

3 Anmerkung(en):

Anonym hat gesagt…

Oho! Wie sich die Menschen doch gleichen. Ich hatte neulich das "Vergnügen" mit Edgar in der Rhein-Main-Edition!

Die Beschreibung passt! Nicht in allen Details aber die Richtung stimmt.

Ein fein gezeichnetes Psychogramm!

Thomas hat gesagt…

Glückwunsch zum Printartikel! Der Freude, dass ihr den Sprung in die große Öffentlichkeit geschafft habt, mischt sich ein wenig die Trauer bei, dass ein "Geheimtipp", nämlich ein ganz wunderbar zu lesender Blog, nun nicht mehr ist. Aber ich beschwer mich nicht, du machst es richtig, und wenn die Edgars, Adelrunen, (ich treffe oft auch die Terminators) durch die öffentliche Bloßstellung ihre eigenen Partys veranstalten und von den Milongas fernbleiben, dann, ja dann ist irgendwie ganz viel wunderbar.
LG
vom
T.

cassiel hat gesagt…

Danke für Deine freundlichen Zeilen. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen als die Tangodanza gefragt hatte. Schließlich will der idealistische Blogger möglichst viele Leserinnen und Leser erreichen. ;-)

Werde wohl jetzt häufiger auch in der TD schreiben.